Eine typische Einkaufsentscheidung fokussiert recht stark auf die Themenfelder Materialeigenschaften, Qualität, Preis, Produktionskapazitäten und vertraglichen Rahmenbedingungen. Die spätere Materialverfügbarkeit, die notwendigen Regelprinzipien der Abrufe, Materialpuffer, Transportkonzepte, die systemische Anbindung und weitere wichtige Faktoren werden damit jedoch nur teilweise adressiert. Folglich sind Lieferanten in vielen Fällen lediglich pauschal in die Standard-Abwicklung eines Unternehmens integriert („SAP-Lieferplan, Abholung wöchentlich durch XY“).
Nicht nur die Automobilindustrie hat schon vor Jahren erkannt, dass es im höchsten Maße wirtschaftlich ist, diesen erweiterten Rahmen genauer zu durchleuchten und zu optimieren. Doch was sind eigentlich die wesentlichen Erfolgsfaktoren für das logistische Lieferantenmanagement? Welche Elemente sorgen zudem für eine reibungslose Implementierung?
- Schulterschluss zwischen Einkauf und Logistik wird wichtiger
In den letzten fünf Jahren hat sich die Antwort auf die Frage, was ein Unternehmen eigentlich wettbewerbsfähig macht, gewandelt. Die Bereiche Beschaffung und Logistik sind als „Enabler“ für Produktion und Vertrieb (ohne Material keine Produktion, ohne Produktion kein Umsatz) in den Fokus gerückt und genießen inzwischen eine hohe Aufmerksamkeit. Die wesentlichen Bausteine dieser neuen Wettbewerbsfähigkeit liegen aber zwischen Einkauf und Logistik, zwei Abteilungen, die in vielen Unternehmen noch immer organisatorisch getrennt arbeiten. Ein nachhaltiger Schulterschluss zwischen Einkauf und Logistik ist daher zwingend notwendig, um wichtige logistische Fragestellungen in den strategischen Einkaufsprozess zu integrieren.
- Lieferanten am Entscheidungsprozess teilhaben lassen
Lieferanten in den Integrationsprozess einzubinden, scheint trivial und selbstverständlich zu sein. Allerdings werden Lieferanten von vielen Unternehmen eher in der Umsetzung einer logistischen Integration gesehen und weniger als ein Träger des eigentlichen Entscheidungsprozesses. Die Inputs, welche Lieferanten in diesem Prozess beisteuern können, sind jedoch äußerst wertvoll und verändern nicht selten die gesamte Zielsetzung. Wer die Aufgabenstellung als partnerschaftlichen Prozess anerkennt, hat zwei Parteien, welche gemeinsam Stärken und Schwächen offenlegen und darauf basierend die beste Lösung gemeinschaftlich suchen, umsetzen und tragen.
- Spielfeld schaffen, Wildwuchs begrenzen
Die Kreativität im Integrationsprozess muss allerdings auch Grenzen kennen. Ein „Plan for every Supplier“ kann nicht das Ziel der logistischen Anbindung sein. Wird die Vielfalt der Prozesse zu groß, ist eine IT-seitige Unterstützung kaum noch möglich, da die verschiedenen Vertragswerke zu zahlreich sind und die Optimierung undurchsichtig und langatmig wird. Es ist daher elementar, dass der Rahmen in dem sich die logistische Integration bewegen darf, vorher genau definiert wird. Typischerweise geschieht dies durch eine begrenzte Anzahl von Standard-Versorgungsklassen mit definierten Freiheitsgraden (z. B. in der Lieferfrequenz), welche an allen Standorten des Unternehmens gleichermaßen verfügbar gemacht werden (Toolbox).
- Abteilungen müssen sich den Gesamtkosten unterordnen
Die Effekte einer Maßnahme wirken oft abteilungsübergreifend – dies gilt besonders für das logistische Lieferantenmanagement. So hat beispielsweise die Lieferfrequenz einen Einfluss auf die Transportkosten, den Wareneingang, den Bestand, das Lager, die Materialverfügbarkeit der Produktion, die Wertschöpfung des Lieferanten, die Zollkosten und sogar auf die Rechnungsprüfung. Zielkonflikte sind in diesem Zuge vorprogrammiert: So werden sich (im genannten Beispiel) die Transportkosten wahrscheinlich gegenläufig zur Entwicklung der Lagerhaltungskosten verhalten. Werden jedoch ausschließlich Maßnahmen umgesetzt, die zum Wohle aller Abteilungen gleichzeitig beitragen, wird nur wenig Potential gehoben und wenig umgesetzt. Für den Erfolg des Lieferantenmanagements ist es daher wichtig, dass die Gesamtkosten einer Maßnahme bestimmt werden und sich die Abteilungen dem Wohl des Unternehmens, sprich den Gesamtkosten, unterordnen.
- Fallstricke sind zu vermeiden
Im logistischen Lieferantenmanagement bewegen sich Unternehmen zwangsläufig zwischen Materialpufferung, Lieferung sowie Abnahme und sind dabei kontinuierlich mit Themen wie Gefahrenübergang, Umsatz, Steuer, Zoll, Abnahmeverpflichtung und Bilanzierung beschäftigt. Bei typischen Fragen nach der Notwendigkeit von Steuernummern, der Bilanzierung von Beständen, Höhe der Risiken sowie der adäquaten Vertragsgestaltung einer Versorgungsklasse, kann viel gewonnen, aber auch viel verloren werden. Fallstricke sollen vermieden und der Rahmen abteilungsübergreifend vorbereitet werden. Hier gilt es, die oft sehr unterschiedlichen Sichtweisen von Einkauf, Logistik, Rechtsabteilung und Steuer / Zoll zu harmonisieren und zu einem funktionierenden Gesamtrahmen zusammenzuführen. Ein Hinweis: Nicht alles, was sich vertraglich regeln lässt, wird auch durch den Lieferanten getragen, bzw. unterschrieben.
Fazit
Die logistische Integration von Lieferanten hat über das letzte Jahrzehnt hinaus bewiesen, wie stark die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden kann und wieviel Potenzial an der Schnittstelle zwischen Lieferanten und Produktion schlummert. Die Erfahrung zeigt, dass ein abteilungsübergreifender Schulterschluss notwendig ist, der von den Gesamtkosten getragen, das Gesamtwohl des Unternehmens zum Ziel hat und sich dafür auch ein Stück weit von den typischen Abteilungszielen lösen muss. Zudem sollte das logistische Lieferantenmanagement einem partnerschaftlichen Ansatz folgen und die Erfahrung und Kompetenz der Lieferanten mit einbinden.