Operative Leistungsfähigkeit durch Standardisierung und Prozessoptimierung

Ausgangssituation

Der demographische Wandel und ein Fachkräftemangel in allen Bereichen führen zu einer Vielzahl unbesetzter Stellen in Banken und Sparkassen

Die Arbeitsbelastungen steigen, Kundenerwartungen an Geschwindigkeiten und Reaktionszeiten sind immer schwieriger zu erfüllen

Wachstumsperspektiven rücken in weiter Ferne, wenn das Tagesgeschäft kaum bewältigt werden kann

Diese Entwicklungen können eine Negativ-Spirale in Gang setzen: mit der schwindenden Leistungsfähigkeit des BackOffice wird der Druck in der Bearbeitung immer größer. Operative Hektik, laufende Neupriorisierungen in der Antragsbearbeitung bringen aber noch mehr Unruhe in das System und mindern die Leistungsfähigkeit weiter.

Fünf Schritte für einen Ausweg aus der Misere

1. Stabilisierung des laufenden Geschäftes:

„Ein priorisierter Auftrag macht drei normale Aufträge kaputt“. Dieser Satz aus der Produktion gilt für jegliche Form der Bearbeitung. Jede Priorisierung führt zu Hektik und operativer Unruhe, zu Wiedereinarbeitungen und damit verbundenen geistigen Rüstzeiten. Daher ist entscheidend – um die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen sind eindeutige Regeln zu vereinbaren:

  • die Bearbeitungsreihenfolge ist fix, laufende erneute Priorisierungen sind zu vermeiden
  • Einsatz der Mitarbeiter entsprechend den Qualifikationen: sowohl Überforderung als auch Unterforderung führen zu längeren Bearbeitungszeiten und Ineffizienzen
  • Entlastungen schaffen durch bspw. Verlängerung der SLAs bei zeitlich unkritischen Vorgängen, selektives Outsourcing, etc.

Die Stabilisierung des laufenden Geschäftes ist ein erster kurzfristiger Schritt. Eine deutliche Entlastung bekommt man erst durch eine Erweiterung der Kapazitäten. Hierfür ist im Vorfeld eine Standardisierung der Tätigkeiten erforderlich.

2. Standardisierung der Tätigkeiten zur Entlastung der Spezialisten und zum Einsatz von Mitarbeitern aus bankfernen Gebieten:

Häufig wird zur kapazitiven Entlastung immer gleich der Spezialist gesucht. Zum einen findet man aufgrund des Fachkräftemangels derzeit nur sehr schwer Spezialisten am Markt. Zum anderen ist dies nicht erforderlich, da der heutige Spezialist nicht zu 100% seiner Zeit Spezialaufgaben bearbeitet; er hat auch häufig viele weitere Aufgaben, die durchaus einfacherer Natur sind. 

Bevor also das Anforderungsprofil für die Mitarbeitenden-Suche spezifiziert wird, sind die Tätigkeiten zu zerlegen und zu standardisieren, damit:

  • Aufgabenbündel gebildet werden können, die sich in Bezug auf die Qualifikations-anforderung unterscheiden: Aufgaben für Spezialisten und Aufgaben für kaufmännisch versierte Mitarbeiter, die angelernt werden können („Einfachere Aufgaben“)
  • Eine Aufgabenbeschreibung für diese einfacheren Aufgaben formuliert werden kann, die ein Anlernen der Mitarbeiter vereinfacht (Schulungsunterlagen)

Zwei Beispiele zur Verdeutlichung des Gedankens:
Bei komplexen Finanzierungen im Individualgeschäft sind in der Regel mehr als 60% der Kapazitäten mit Überwachungstätigkeiten gebunden, die aber nicht immer einen Spezialisten für die Bearbeitung benötigen. Die Mitarbeiter, die die Sitze für Autos herstellen, sind alles keine Sattler mehr; die hochgradige Standardisierung der Sitzmontage erlaubt es, nur noch angelernte Mitarbeiter einzusetzen.

3. Prozessoptimierungen umsetzen: 

Mach es einmal, mach es richtig!

Ist die erste Stabilisierung erfolgt und eine kapazitive Unterstützung bei den einfacheren Aufgaben geschaffen, bekommen die verantwortlichen Führungskräfte auch wieder mehr Luft, um weitere Themen der Entlastung durch eine Prozessoptimierung anzugehen. Dabei liegt der Fokus nicht darauf, den jeweiligen Prozess um wenige Minuten besser zu machen! In einem ersten Schritt sind die Schleifen zu eliminieren im Sinne von: Qualität beim ersten Mal herstellen.


Das bedeutet:

  • Die zuliefernde Einheit liefert bearbeitungsreife Unterlagen und vollständige Teil-Ergebnisse, die die Grundlage für die weitere Bearbeitung sind
  • Die nachfolgende Einheit baut auf diesen Ergebnissen auf und kann alle weiteren Bearbeitungsschritte ohne Rückfragen und Doppelarbeiten durchführen

Am Beispiel des Kreditprozesses lässt sich das gut verdeutlichen:
der Markt liefert alle notwendigen Unterlagen, die eine vollständige Weiterbearbeitung ohne Rückfragen ermöglicht. Der Aufsatzpunkt der Marktfolge ist nicht eine Überprüfung der Ergebnisse des Marktes, sondern ein Aufsetzen auf den bereits produzierten Teilergebnissen zur weiteren Bearbeitung. Ein Indikator für das Potenzial in diesem Bereich ist die Aussage, wie häufig Rückfragen und Nachforderungen erforderlich sind zur Bearbeitung. Ein weiteres Beispiel liefert die Interaktion mit dem Kunden: Analysen zeigen, dass 25% der Anträge nach Vertragserstellung erneut in die Bearbeitung der Marktfolge gehen mit vielfältigen Ursachen (Veränderung der Finanzierungssumme, Nachverhandeln der Konditionen durch Einbezug weiterer Sicherheiten, etc.).

4. Effektivität prüfen:

Bearbeitungsschritte vermeiden oder weglassen!

Eine deutliche Entlastung liefert das Weglassen oder das Vermeiden von Tätigkeiten. Jegliche Doppelarbeit sollte vermieden werden. Doppelarbeiten entstehen wie unter Schritt 3 genannt durch eine fehlende Prozessqualität. Zu Doppelarbeiten gehören aber auch Kontrollen, wenn es sich anstatt um 4 Augen Kontrollen um 8 Augen Kontrollen handelt, da die Kontrollen mehrfach ausgeführt werden. Solch eine Verschlankung der Prozesse erfordert eine tiefgehende Prozessoptimierung und eine intensive Diskussion. Eindeutige Verantwortlichkeiten sind zu regeln, ein gemeinsames Qualitätsverständnis ist zu schärfen.

Deutlich schneller Entlastung liefert die Schärfung der Geschäftsstrategie. Wie häufig spricht man davon, dass Anträge sehr intensiv bearbeitet werden, obwohl man von vorneherein wusste, dass es schwierig wird, diesen Antrag positiv zu votieren! Eine Schärfung der Geschäftsstrategie führt zu einem frühzeitigen Ablehnen der Anträge, die nicht die Kriterien erfüllen. Damit verbunden ist eine deutliche Entlastung der Bearbeitungseinheiten.

5. Automatisierung konsequent nutzen:

Banken und Sparkassen haben in der Vergangenheit viele Automatisierungslösungen aufgebaut, die viele Ressourcen sparen. Leider ist die Akzeptanz der Lösungen häufig begrenzt. Natürlich können diese Lösungen nur eine bestimmte Bandbreite des Prozesses abdecken. Daher ist die Frage zu stellen, wie man die Organisation dahingehend führt, dass diese Bandbreite bei mehr als 90% liegt und die Ausnahmen künftig vermieden werden.

Dieser Transformationsprozess der Organisation gelingt nur durch ein kontinuierliches Lernen. Mit Process Mining kann man die Abweichungen vom Standard sichtbar machen und im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses diese sukzessive reduzieren. Kennzahlen können das erforderliche Bewusstsein in der Organisation schaffen, den Weg der konsequenten Nutzung der Automatisierungslösungen zu unterstützen.

Fazit

Die aktuelle Marktsituation setzt die Bearbeitungseinheiten zunehmend unter Druck. Um die Leistungsfähigkeit zu behalten, sind sowohl kurzfristige Entlastungen als auch mittelfristige Optimierungen erforderlich. Die Schärfung der Geschäftsstrategie kann Doppelarbeiten vermeiden, die Optimierung der Prozesse im Sinne der Qualität beim ersten Mal schafft Effizienzen in einer end-to-end Betrachtung. Prioritär sollte aber die Standardisierung vorangetrieben werden. Sie schafft zum einen die Möglichkeiten, auch fachfremdes Personal einzusetzen, zum anderen wird die Nutzung von Automatisierungslösungen vorangetrieben.

Dr. Carsten Jacobi
Geschäftsführer Emporias Management Consulting
carsten.jacobi@emporias.de