
Zentralisierung Materialdisposition
Supply Chain Resilienz erhöhen, Bündelungspotentiale heben
Insbesondere die durch die Corona-Krise extrem angespannten Lieferketten und die großen Verfügbarkeitsprobleme im Beschaffungsbereich, veranlassen aktuell zahlreiche Unternehmen über eine Zentralisierung der Materialdisposition im Sinne eines gebündelten Bedarfs- und Bestands-Managements nachzudenken.
Wenn man organisatorisch, prozessual und IT-technisch die richtigen Weichen stellt, kann eine zentrale Inbound-Zulaufsteuerung signifikante Vorteile mit sich bringen:
1. Supply Chain Transparenz zur Vermeidung von Bottlenecks:
Mittels zentraler dispositiver Einheiten, die die dezentralen Bedarfe der produzierenden Werke verarbeiten und in Richtung der Lieferanten bündeln, entsteht eine übergeordnete Sicht auf die Bedarfs- und Bestandssituation in der Supply Chain insgesamt.
Drohende Bottlenecks können dabei früher antizipiert und Allokationsentscheidungen leichter gefällt werden. Auch erfolgt die Kommunikation mit den Lieferanten durch eine zentrale Instanz (One-face-to-the-Supplier) und nicht durch verschiedene Disponenten in den Werken, die im Zweifel um mögliche Engpassmaterialien oder Produktionskapazitäten konkurrieren.
2. Bündelung der Inbound-Materialströme:
Die Zusammenfassung der Werksbedarfe in gebündelte Abrufe bei den jeweiligen Lieferanten, eröffnet zudem erhebliche Potentiale im Bereich Inbound-Transporte. Die zentrale Steuerung im Zusammenspiel mit harmonisierten dispositiven Parametern und Lieferkalendern der Werke, ermöglichen eine koordinierte Abholung und idealerweise Full-Truck-Ladungen zum ersten Konsolidierungspunkt. In der Regel werden anschließend in Cross-Dock-Strukturen, die Materialien aus den Vorholungen entsprechend aufgeteilt und neu zusammengestellt, so dass die nachfolgenden Hauptläufe in die Werke wiederum als Vollladungen erfolgen können.
In derartigen Projekten konnten wir Einsparungen bei den Transportkosten, aber auch beim CO2-Ausstoss im deutlich zweistelligen Prozentbereich erzielen.
3. Spezialisierungs- und Produktivitätspotentiale einer zentralen Disposition:
Die Nutzung von Automatisierungsmöglichkeiten in den lokalen ERP-Systemen (z.B. Lieferpläne oder automatische Bestellungen) vorausgesetzt, können durch die Bündelung in zentralen Dispositionseinheiten auch Produktivitätssteigerungen im Bereich Materialdisposition erzielt werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Summe der Mitarbeiterkapazitäten im zentralen Dispo-Hub plus die verbliebenen Disponenten in den Werken (für lokale bzw. werksspezifische Materialien und Lieferanten) kleiner ist, als die Gesamtzahl der Disponenten in den Werken zuvor. Hinzu kommt, dass derartige Einheiten auch als Spezialisten für bestimmte Materialgruppen wie Stahl oder Halbleiter aufgebaut werden können, die als interne Experten und Lieferantensteuerer für die Werke agieren.
Einige Unternehmen nutzen auch Verlagerungsmöglichkeiten in Länder mit niedrigem Lohnkostenniveau, um hier entsprechende Einsparungen zu erzielen.
Für eine erfolgreiche Umsetzung sind in Unternehmen erfahrungsgemäß einige Hürden zu überwinden und die entsprechenden Voraussetzungen hins. Prozessen, Organisation und IT-Systemlandschaft zu schaffen. Folgende Vorgehensweise hat sich dabei in unseren Projekten bewährt:
BI-Modellierung optimales Logistiknetzwerk
In einem ersten Analyseschritt, ermitteln wir mittels einer BI-basierten Auswertung und Modellierung von Big Data (sämtliche relevante Dispositions-, Transport- und Lagerdaten im gesamten Inbound-Netzwerk) die optimalen Materialflüsse und Konsolidierungspunkte. Durch einen Total-Cost-Ansatz werden die relevanten Kostentreiber in eine Balance geführt und datenbasiert ein Optimum für das Gesamtnetzwerk errechnet. Die zukünftigen Hub-Standorte, werden über die Mengengerüste und Kostensituation für die Zielregionen kalkuliert und bilden die Basis für die anschließende Dienstleistersuche.
Aufbau der zentralen Materialdispositionseinheit inkl. Prozessen und IT-Systemen
Auf Basis, der in der Netzwerkmodellierung erhobenen Mengengerüste, sowie der definierten Soll-Prozesse und IT-Systemabbildung wird die erforderliche Kapazität an Mitarbeitern in der zentralen Dispositionseinheit ermittelt. Außerdem sind die Aufgabenverteilung, Rollen und Verantwortlichkeiten an den Schnittstellen zu den einzelnen Werken auszugestalten und abzustimmen. Dies wird dann in Qualifikationsmatrizen, Prozessbeschreibungen sowie in zukünftige Kennzahlen (KPIs) der neuen zentralen Dispo-Abteilung überführt.
Auswahl des Logistikdienstleisters (RFI- / RFQ-Prozess)
Ein weiteres Element ist die Suche und Auswahl des oder der Logistikdienstleister, die in den identifizierten Zielregionen Hub- bzw. Cross-Dock-Strukturen für den Materialumschlag betreiben sollen. Der Durchlauf der RFI- / RFQ-Prozesse, plus anschließender Vorbereitung des Go Live der neuen Transport- und Lagerstrukturen, ist in der Regel zeitintensiv. Daher sollte dieses Teilprojekt frühzeitig angegangen werden.
Onboarding der Werke und Lieferanten
Die Übergabe von Dispositionsverantwortung aus den dezentralen Produktionsstätten in eine zentrale Einheit, ist in der Regel mit allerlei Bedenken und Widerständen in den betroffenen Werken verbunden. Wichtig ist daher, diese von Beginn in das Vorhaben zu involvieren und detailliert Chancen und Risiken einer derartigen Veränderung zu eruieren. Auch müssen klare Schnittstellenvereinbarungen ausgestaltet werden, welche logistischen Anforderungen, Eskalationsmechanismen, Ansprechpartner, ERP-Datentransfer etc. zwischen den zentralen und lokalen Dispositionsabteilungen im operativen Tagesgeschäft Gültigkeit haben.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die frühzeitige Involvierung der Lieferanten, deren Lieferungen zukünftig gebündelt bestellt und abgeholt werden.
Hierbei sind vielerlei Punkte wie z.B. vertragliche Änderungen, Prozess- und IT-Anpassungen, Abruf- und Transportfrequenzen bis hin zu einer gemeinsamen Umsetzungsplanung abzustimmen.
Go Live mit Pilotierung und Roll-out
Schließlich gilt es, sämtliche o.g. Arbeitspakete zu synchronisieren und mit allen relevanten Parteien (zentrale Materialdisposition, Werke, Logistikdienstleister und Lieferanten) den operativen Go Live der neuen Strukturen vorzubereiten. In aller Regel starten wir dabei mit einer Pilotierung von ausgewählten Lieferanten und Beschaffungsumfängen, um die Robustheit der neuen Dispo- und IT-Prozesse sowie der physischen Transportströme und Cross-Dock-Abwicklungen zu prüfen und Akzeptanz bzw. Vertrauen in der Organisation aufzubauen. Nach einem erfolgreichen Proof-of-Concept kann dann sukzessive der Roll-out für alle zukünftig zentral gesteuerten Lieferanten und Teile erfolgen.
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